Abu Dhabi war nie nur eine Stadt aus Sand und Wolkenkratzern. Seit den 2000er-Jahren hat sich ihre Nacht zu einem lebendigen, vielschichtigen Phänomen entwickelt - mit Orten, die nicht nur tanzen, sondern Geschichten erzählen. Manche sind verschwunden, andere haben sich verändert, doch ihre Spuren bleiben. Wer heute durch die Straßen der Stadt geht, sollte wissen: Die besten Nachtorte sind nicht die lautesten. Sie sind die, die noch atmen.
Al Qasr: Der Ursprung der Nachtszene
Bevor Yas Island und Marina Mall zu Begriffen wurden, gab es Al Qasr. Das Hotel mit dem gleichnamigen Club war in den frühen 2000ern der einzige Ort, wo Einheimische und Expats zusammenkamen - ohne Bier, aber mit Shisha, Jazz und einem Hauch von Geheimhaltung. Der Club lag hinter einem unscheinbaren Eingang, und nur wer wusste, wohin man gehen musste, fand ihn. Die Musik war sanft, die Stimmung warm. Es ging nicht um Promis, sondern um Gespräche, die bis zum Morgengrauen dauerten. Heute ist Al Qasr ein Luxushotel mit einem Rooftop-Bar, die an Wochenenden voll ist - aber die Seele des alten Clubs ist verschwunden. Wer danach sucht, findet sie nur noch in Erzählungen.
Le Royal Meridien Beach Resort & Spa: Die erste echte Partyzone
2007 änderte sich alles. Das Le Royal Meridien öffnete seine Poolbar am Abend - und plötzlich gab es Musik, die bis zum Strand hallte. Die erste echte Outdoor-Party in Abu Dhabi. Es war nicht der teuerste Ort, aber er war der erste, der sich nicht versteckte. Touristen kamen, junge Emiratis trafen sich, und die Stadt erkannte: Nachts kann man auch draußen sein. Die Bar hatte keine Türsteher, die nach Herkunft fragten. Sie hatte eine Liste: Wer gut gelaunt war, durfte rein. Der Sound? Vintage House und Deep Funk. Die Drinks? Einheimischer Hibiskus-Sirup mit Limette. Das war der Moment, in dem Abu Dhabi lernte, seine Nacht zu lieben - nicht nur zu tolerieren.
Yas Island: Die Verwandlung in ein internationales Zentrum
Als 2010 das Ferrari World eröffnet wurde, wusste niemand, dass es auch die Geburtsstunde der modernen Nachtlebensszene war. Yas Island wurde zum Magnet. Clubs wie TGI Fridays und The Beach House kamen, gefolgt von internationalen DJs, die zum ersten Mal in den Golfstaaten auflegten. Doch der wahre Star war Marina Mall - nicht als Einkaufszentrum, sondern als Treffpunkt nach Mitternacht. Die Jugend kam hierher, um zu spazieren, Kaffee zu trinken und sich zu sehen. Die Clubs waren teuer, die Dresscodes streng - aber die Atmosphäre war neu. Endlich gab es Orte, die nicht nur für Expats gedacht waren. Die Emiratis begannen, ihre eigenen Clubs zu gründen - mit arabischer Musik, modernen Beats und einer Mischung aus Tradition und Rebellion.
Al Maqtaa: Der Geheimtipp, der nie verschwand
Ein Stück außerhalb der Touristenpfade, am Ufer des Al Maqtaa-Kanals, liegt ein kleiner, dunkler Ort mit einem einzigen Tisch und einer Bar aus Holz. Kein Schild, kein Licht, nur ein roter Teppich und die Stimme eines alten Mannes, der jeden Gast mit einem Nicken begrüßt. Seit 1998 serviert er hier arabischen Kaffee, Datteln und manchmal einen Whisky - wenn man ihn bittet. Keine Musik, keine Barmixer, nur die Wellen des Wassers und das Knistern des Holzes. Hier kommt niemand, um getanzt zu werden. Hier kommt man, um zu hören. Die ältesten Einwohner von Abu Dhabi kommen hierher, um zu erzählen - von der Zeit, als die Stadt noch ein Fischerdorf war. Wer diesen Ort findet, findet etwas, das nirgendwo sonst existiert: eine Nacht ohne Zeit.
Manarat Al Saadiyat: Kultur, die bis spät abends lebt
Seit 2017 hat sich der Louvre Abu Dhabi nicht nur als Museum, sondern als Nachtleben-Ort etabliert. An jedem ersten Freitag im Monat öffnet das Museum seine Türen bis 22 Uhr - mit Live-Jazz, kurzen Filmen, und Kaffee an den Fenstern mit Blick auf die Wasserfläche. Es ist keine Party. Es ist eine Art stille Feier. Die Besucher tragen weiße Kleidung, sprechen leise, und lauschen den Klängen einer Oud, die durch die Hallen schwebt. Diese Veranstaltungen sind kostenlos, aber man muss sich anmelden - und oft ist die Warteliste länger als bei jedem Club der Stadt. Warum? Weil hier die Nacht nicht laut ist. Sie ist tief. Und das ist etwas, das Abu Dhabi nur hier bietet.
Die neuen Spieler: Wo die Jugend heute tanzt
2025 ist die Szene anders. Die großen Clubs wie Wynn Abu Dhabi und Zuma haben ihre Türen geschlossen - nicht wegen Verboten, sondern weil sie nicht mehr relevant waren. Stattdessen dominieren kleine, unabhängige Orte: Bar 17 in Al Raha, mit Vinyl-Platten und einem Chef, der jeden Drink mit einer Geschichte verbindet. Al Khoory Lounge, ein versteckter Ort im Al Bateen, wo arabische Popmusik mit elektronischen Beats verschmilzt. Und The Loft in Al Maryah Island, ein Dachrestaurant, das nachts in eine Bar verwandelt wird - mit Blick auf die Skyline, aber ohne Lichter, die blenden. Diese Orte haben keine Werbung. Sie verbreiten sich durch Mundpropaganda. Wer sie findet, fühlt sich wie ein Eingeweihter.
Warum die alten Orte immer noch zählen
Es ist kein Zufall, dass die meisten jungen Leute heute sagen: „Ich will nicht wie in Dubai sein.“ Abu Dhabi hat nie versucht, die größte, lauteste, teuerste Stadt der Region zu sein. Es hat versucht, eine zu sein, die bleibt. Die alten Clubs sind nicht mehr da - aber ihre Geister sind es. Sie sind in den Liedern, die in den neuen Bars gespielt werden. In den Rezepten, die Kellner noch aus den 2000ern kennen. In den Gesprächen, die an den Fenstern von Al Maqtaa geführt werden. Die wahre Ikone von Abu Dahis Nachtleben ist nicht ein Gebäude. Es ist die Fähigkeit, still zu sein - und trotzdem zu leben.
Was bleibt, wenn alles verschwindet?
Die nächste Generation wird neue Orte schaffen. Vielleicht werden sie in alten Lagerhäusern sein. Oder auf Booten im Hafen. Vielleicht wird es gar keine Bars mehr geben - nur stillere Räume, in denen man Musik hört, ohne sie zu sehen. Aber eines wird sich nicht ändern: In Abu Dhabi geht es nicht darum, die Nacht zu verbringen. Es geht darum, sie zu spüren. Und das ist etwas, das kein Club, kein DJ, kein Werbebudget jemals kopieren kann.
Welche Clubs in Abu Dhabi sind heute noch authentisch?
Authentisch sind heute vor allem kleine, unabhängige Orte wie Bar 17 in Al Raha, Al Khoory Lounge in Al Bateen und The Loft in Al Maryah Island. Diese Stätten haben keine großen Marken, keine Promi-Liste und keine übertriebenen Lichter. Sie leben von persönlicher Atmosphäre, gutem Kaffee, Musik, die aus der Seele kommt, und Menschen, die wirklich bleiben wollen - nicht nur für ein Foto.
Gibt es in Abu Dhabi noch Orte, an denen man ohne Dresscode hineinkommt?
Ja - aber nur an bestimmten Orten. Al Maqtaa hat keinen Dresscode, nur eine Einladung. Manarat Al Saadiyat erlaubt Alltagskleidung, solange sie respektvoll ist. Auch die Freitagabend-Events im Louvre Abu Dhabi sind lässig. In den meisten großen Clubs ist ein eleganter Stil immer noch Pflicht - aber die alten Regeln lockern sich. Wer sich nicht wie ein Model anzieht, wird heute oft eher als authentisch angesehen.
Warum sind die alten Clubs wie Al Qasr verschwunden?
Sie sind nicht verschwunden - sie haben sich verändert. Al Qasr wurde zu einem Luxushotel, das sich auf Geschäftsreisende und Hochzeiten konzentriert. Die Nachtleben-Kultur wanderte weiter - zu kleineren, flexibleren Orten, die nicht auf Profit, sondern auf Gemeinschaft ausgerichtet sind. Die alten Clubs starben nicht, weil sie verboten wurden. Sie starben, weil die Stadt erwachsen wurde - und andere Wege fand, zu feiern.
Ist die Nachtleben-Szene in Abu Dhabi sicher für Frauen?
Ja - und zwar sehr. Abu Dhabi ist eine der sichersten Städte der Region für Frauen, die nachts ausgehen. Die Polizei patrouilliert in allen beliebten Vierteln, und die meisten Orte haben weibliche Türsteher oder Sicherheitsmitarbeiter. Es gibt keine Trennung nach Geschlecht, aber Respekt ist Pflicht. Frauen, die alleine ausgehen, werden oft von anderen Gästen unterstützt - nicht weil es Vorschrift ist, sondern weil es zur Kultur gehört.
Wo kann man in Abu Dhabi abends Kaffee trinken, ohne in einen Club zu gehen?
An vielen Orten. Al Maqtaa ist der bekannteste - aber auch Café 101 in Al Bateen, The Bookworm in Al Raha, oder die Terrassen am Corniche. Diese Orte öffnen bis Mitternacht, manchmal sogar später. Sie haben keine Musik, die schreit, sondern leise Jazz-Platten oder gar keine. Hier trinkt man Kaffee, liest ein Buch, oder schaut einfach aufs Wasser - und spürt, wie die Nacht langsam wird.